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4
Jun
2005

Spyglass

Muh-Tiger | 4. Jun, 19:48

Ich bin nich valide


Irgendwie fühle ich mich grade so, als wenn ich mal wieder ein Statement abgeben müsste.

Wenn der Dativ dem Genitiv sein Tod sein tut, dann ist die validierte Regel der Kreativität ihr Tod sein tun. ES scheint so, als wenn es immer wieder Menschen geben würde die ohne Regeln nicht klar kommen. Eingezwängt in ein enges Korsett aus Regeln und Vorschriften sind sie unfähig ihren eigenen Weg zu finden.
Sicher kennt der eine oder andere noch aus seiner Schulzeit die Kinder, die das Datum immer oben rechts hingeschrieben haben, es dann mit einem Lineal und einem roten (!) Filzstift (0.7-1.0 mm) unterstrichen haben. Doppelt versteht sich. Niemals nicht einfach und schon gar nicht mit dem Stift, mit dem man geschrieben hat. Es musste immer eine andere Farbe sein, dabei war aber darauf zu achten das mit Blau geschrieben, während mit Rot unterstrichen wurde. Das waren dann die Kinder, die in den Pausen immer alleine auf dem Schulhof standen weil niemand mit diesen phantasielosen Blagen spielen wollte. War ja auch zu langweilig, weil beim Verstecken spielen haben sie immer brav bis 10 gezählt wenn sie suchen mussten. Und wenn sie sich versteckt haben, dann wusste man schon vorher wo man sie suchen musste. Denen fehlte irgendwie das passende Gen um sich gute Verstecke auszudenken.
Ich hab eigentlich nie ein Datum auf meine Notizen vermerkt. Hat mir eh nie geholfen etwas wieder zu finden. Denn so ab ca. dem sechsten Schuljahr bestanden meine "Schulhefte" aus einem 500er Stapel blanko Papier. Mir wurde es irgendwann einfach zu dumm für jedes Fach ein eigenes Heft anzulegen. Ich vergas morgens ohnehin immer die passenden Hefte einzupacken. Der Inhalt meiner Schultasche bestand also aus einer frei gewählten (um nicht zu sagen in der Post geklauten) Anzahl an Kugelschreibern. Je nachdem wie viele in der Postfiliale nachgelegt wurden waren es so 5-20 Stück in diversen Farben. Außerdem die geschätzten 500 Blatt Papier und der Rest an Raum wurde mit den wirklich nützlichen Dingen des Schulalltags aufgefüllt: Pausenbrote, Kaugummi, Tabak, Feuerzeuge, Musik (damals noch Walkman und Kassetten!), Lesestoff (am liebsten der mit den Bildern, den konnte man so genial gut tauschen) und halt was man sonst noch so zum Überleben in der Schule brauchte. Ich hatte ein recht gutes Leben während meiner Schulzeit. Ich gebe zu, das gute Leben endete regelmäßig mit der Verteilung von so genannten Zeugnissen. Weniger wegen den schlechten Noten als viel mehr weil zu jeder Zeugnisausgabe meine Eltern in die Schule bestellt worden waren. Hauptmängelpunkt des Lehrkörpers: Ich wäre schlampig gewesen. Hey Stopp mal. Nur weil meine Physikunterlagen sich 1:1 mit den Mathenotizen vermischt haben? Nur weil die im Kunstunterricht angefertigten Wassermalfarbenbilder auf die Deutschhausaufgaben abgefärbt haben? Nur weil mein Pausenbrot ... das ist eine andere Geschichte. Also bei mir waren die Unterlagen zu den Fächern derart durchmischt das ich mindestens 10 der 45 Minuten einer jeden Schulstunde damit verbracht habe die passenden Zettel zusammen zu suchen. Und jetzt kommt die Riesensauerei: In der Schule stand deswegen auf meinem Zeugnis "Schlampige Unterlagen". Heute nennt sich so was an der Uni "Interdisziplinär". In der letzten GEO war da sogar nen langer Bericht drin warum es Sinn macht wenn Insektenforscher mit den Metallforschern rummachen. Also wenn Forscher schlampig sind und am Max-Planck-Institut arbeiten, dann ist das interdisziplinär und fortschrittlich. Wenn ich so was als Schüler gemacht habe, dann war das schlampig. Kapier ich nicht, aber ist ja auch schon lange her.

Aus den Kindern mit den validen Turnbeuteln sind später die Studenten mit der konformen Fächerwahl geworden. Was aus mir geworden ist, da hüllen wir lieber das Tuch des Schweigens drüber. Aber so viel sei verraten: Während die validen Studenten Vorlesung hatten, hatte ich Spaß. Während die angehenden Ärzte in Büchern die Anatomie des Körperbaus in ihre regelkonformen Hirne pressten, erforschte ich den Unterschied zwischen B- und C-Cup. Als die Kunststudenten in der Unibibliothek noch versuchten herauszufinden wie dick die Ölschicht auf der Mona Lisa ist, wusste ich schon das ein Töpfchen Fingerfarbe nicht ausreicht um ein Busen der D-Klasse anzumalen.
Nun gut, die Studenten waren mir irgendwann egal. Denn wenn die brav im Bett lagen um für die Vorlesung um 7 Uhr am nächsten Tag fit zu sein, studierte ich die Studentinnen im KKC. Und sie mich. Uni wie sie mir gefällt.
Das KKC ist an der Uni Essen so etwas wie die Studentendisco mit Bierausschank. Dieses Studentendisco-Reservat war in manchen Studentenfällen auch dringend nötig. Denn in einer regulären Disco wären wohl so einige von denen schon am Türsteher gescheitert. Und selbst wenn sie denn dran vorbei gekommen sind, spätestens am Tresen erlebten sie regelmäßig ihr persönliches Waterloo. Denn regelkonforme validierte Studenten suchten immer erst nach dem Flaschenöffner, dann nach ein passendes Glas. Beides in einer ordentlichen "Disco" selbstredend niemals nicht zu finden. Und während die Regel-Studenten noch rätselten wie man mit einem Feuerzeug eine Flasche öffnet, hatten alle unkonformen Nichtstudenten schon längst sämtliche anwesenden Frauen abgegraben und abgeschleppt. Ganz gegen den Regeln versteht sich.
Natürlich will ich hier nicht alle Studenten über einen Kamm scheren. Es gibt auch genug Studenten die ebenfalls auf alle Regeln geschissen haben und aus denen was geworden ist.

Das waren schon ein paar sehr prägende Jahre, damals. Selbst heute bin ich noch nicht ganz regelmäßig oder gesellschaftskonform. Alleine schon mein Musikgeschmack ist irgendwie ... sagen wir mal neudeutsch: Strange gemixt. Gut, über Geschmack lässt sich streiten. Doch meine persönliche Invalidität äußert sich auch gewissermaßen in einer gewissen gesellschaftlich unkonventionellen Erscheinungsform. Heute Morgen hat sich doch meine Frau Mutter erschreckt, da meine Haare sich irgendwie unvalide, entgegen allen modischen Regeln, gen Himmel reckten. Also nicht so hahnenkammfrisurmäßig mit diesen Prolloblondstreifen in der Mitte. Mehr so wild in alle Richtungen. Zum Glück waren sie nicht auch noch bunt. Sonst wäre ich wohl als so eine Art Retro-Punk durch gegangen.
Das sind aber auch so Dinge an die ich keine Energie verschwenden will. Heute ist heute und so wie ich aufstehe sehe ich halt heute aus. Morgen ist ein anderer Tag, da sehe ich dann halt wieder anders aus. Kann man nix machen. Jeden Tag gleich aussehen ist doch auch arg langweilig, oder nicht!?
Ich verstehe auch die Leute nicht, die 90% ihrer Energie darauf verschwenden irgendwelche Rechtschreib- oder HTML-Regelungen einzuhalten. Das einzige was dabei rum kommt, sind langweilige Texte in Standard-HTML-Seiten die keiner sehen will. Ich scheiß hin und wieder einfach auf die merkwürdigen Regeln die ich mir eh nie wirklich merken kann oder will. Dafür erfinde ich einfach lustige neue Worte in unabsehbarer Länge mit bedenklich wenig Sinngehalt, dafür aber um so mehr Unterhaltungswert.
Man muss halt Prioritäten setzen. Lustig und bunt oder langweilig und konform. Ich bin für lustig bunt, macht mehr Spaß. Weinen können die anderen für mich, wenn ich inne Kiste bin.

Tja, was ist nun aus den Studenten geworden die mit ihrer verschlossenen Bierpulle am Tresen versackt sind? Das sind die Typen, die in regelmäßigen Abständen alle Internetforen mit Fragen zumüllen die man mit ein wenig Phantasie von alleine beantworten kann. Da stehen dann so weltbewegende Fragen wie z.B. "Unser Kleinkind (48.27 Monate) hat gestern Dadadududu anstatt Dadudadudu gesagt. Ist es krank? Müssen wir mit ihm zum Logopäden? Wenn ja, kann einer der mitlesenden Damen und/oder Herren uns einen guten Logopäden empfehlen? Für eine Antwort wären wir, also meine Frau und ich, sehr dankbar"

Ne ne ne! Die Regel ist der Kreativität ihr Tod sein tun. Leute die sich auf valides (X)HTML den Schwanz schlumpfblau wixen haben im Leben definitiv eine verdammt wichtige Entwickelungsstufe verpasst. Das sind doch die Turnbeutelvalidierer von vorgestern, die Bierflaschenverzweifler von gestern, und die Dummefragensteller von heute. Nicht so wirklich mitbekommen was um sie herum passiert, dafür aber rechtschreibtechnisch korrekten Dumpfsinn verbreiten. Hauptsache es ist regelkonform, Inhalt zweit- bis drittrangig. Um es mal mit Homer Simpson zu sagen: Laaaaaaaaaaangweilig.

Ich bin einfach nicht valide, mich packt man in keine Schublade, passe zu keiner Regel, kann nicht konform und schon gar nicht gradlinig. Alle 5 Minuten muss da schon mal ne Kurve kommen die ich ab und an kratzen kann, sonst wird mir dat zu eng im Leben. Und wenn die Kurve nich von alleine kommt, dann kann man ja mal selber nen bissken wat dran rumbiegen. Dat Spaßgen will täglich gefüttert werden, sonst verhungert noch der Humor.
Aber wenn ich mir dat ma so richtich überlech, dann gibbet doch wat dat bei mir valide is:

fun_valid

Getreu den Motto: Die Regel is der Kreativität ihr Tod sein tun!

 

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derbaron - 5. Jun, 07:42

Immerhin:

Ich konnte keinen einzigen Rechtschreibfehler entdecken. :-)

Clavain - 6. Jun, 08:19

Hahahha! Danke für diesen Text und den ersten Lacher des Tages. Sehr gut, wirklich.

Tag #7109

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