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20
Mai
2005

Der Froschkönig & ich


Es ist schon ein Stück weit frustrierend. Da stehe ich am Altpapiercontainer und entsorge die Pornohefte Computerzeitungen der letzten 24 Monate. Plötzlich tippt mir jemand auf die Schulter. Ich drehe mich um und wen sehe ich da? Den netten Herrn Wachtmeister der mir morgens noch mit ernster Miene empfohlen hatte ernsthaft mal über die Anschaffung eines Schmutzfängers für mein Fahrrad nachzudenken.
Auf die Schulter tippen musste er mir, da ich hübsch die Ohrstöpsel von meinem Handy in den Ohren hatte. Radio, you know.
"Aber mit ihren MP3-Player werden Sie doch nicht gleich losradeln, oder!?" quäkte er mich an. Große Augen machen, Ohrstöpsel entstöpseln und "Nö!" antworten. Meine Standardstrategie in solchen Fällen. "Es ist nämlich verboten mit MP3-Player ..." ging das Belehrungsgequäke weiter, welches ich mit den Einwand unterbrach, dass ich gar keinen MP3-Player hätte. "Ah ja. Und was ist das da in ihren Ohren?".
Erste Antwortmöglichkeit: Schmutz. Weil Musikstöpsel sind ja keine mehr drin, wurden vor 5 Sekunden entstöpselt. Diese Antwort wäre mit Sicherheit faktisch korrekt, allerdings taktisch arg scheiße. Zweite Antwortmöglichkeit: Die Ohrstöpsel von meinem Handy. Diese Antwort ist nur teilweise korrekt, taktisch aber klüger da ich den Beamten in Grün mit ungewollten Informationen überschütte und völlig verwirre.
Ich entscheide mich für Antwortmöglichkeit Nummer 2 und drücke im Geiste den Roten Buzzer in der Hoffnung, 100 Punkte und Tor 3 zu bekommen. Bekommen tu ich aber nur einen doofen Blick. "Wie?" quäkt mich das grüne Etwas wieder an. "Frei-sprech-ein-rich-tung" erkläre ich auf möglichst einfache Art und Weise. Fehler.
Definitiv ein Fehler. Ich hätte sagen können das mir mein Arzt eine Elektrotherapie gegen Schwerhörigkeit verschrieben hätte und dies die Armatur sei, die ich nun 24 Stunden am Tag tragen müsste, wollte ich mein Leben, oder zumindest mein Gehör, nicht verlieren. Ich war aber so blöd ehrlich zu sein. Fehler. Definitiv ein Fehler so zu sein.
"Was wollen Sie auf einem Fahrrad mit einer Frei-sprech-ein-rich-tung?" quäkte es mich abermals an. "Telefonieren." schoss es aus meinem losen Mundwerk. Scheiße. Warum klingen einfache, einleuchtende und wahrheitsgemäße Antworten in solchen Augenblicken immer als wenn man sagen wollte Hey kleines grünes doofes Etwas. Ich verarsch dich jetzt mal ein bissken, ich hab sonst nix schlaues vor. Warum habe ich nicht gesagt, dass ich in Dauerkontakt mit Außerirdischen stehe, dieser Kontakt aber auf gar keinen Fall abreißen darf da sie sonst unseren Planeten zu einen Haufen Kosmischen Dreck zerkrümmeln werden? Warum nur? Scheiße.
Das grüne Etwas quäkt nicht. Ich hätte erwartet dass es mich jetzt wieder mit einem schlauen Spruch anquäkt. Tut es aber nicht. Kurz überlege ich, ob sich das grüne Etwas in eine geile Schnecke verwandelt wenn ich es schnell flach lege ihm einen fetten Kuss aufdrücke. Auf Grund diverser interner Ekelgefühle und ein paar Abwägungen ob Handschellensex auf offener Straße mir liegt oder nicht, gebe ich dieses Vorhaben aber auch recht schnell wieder auf.
Das grüne Etwas drückt die Augenbrauen zusammen und fragt mich ob wir uns nicht schon mal getroffen hätten. "Wie? Sie und ich? Nö. Wann denn? Wo denn?" ich mache einen auf unschuldig. Das erste und beste was mir grade einfiel. "Doch, doch. Heute Morgen. Sie waren doch der ohne Schmutzfänger" erinnert sich quäkend das grüne Etwas und schielt auf mein Hinterrad. Ufftata, Glück gehabt. Den Schmutzfänger hatte ich schon seit einiger Zeit zu hause. Hatte ihn nur noch nicht montiert. War ja auch nicht nötig bei dem trockenen Wetter. Hatte ich dann gleich nach der ersten Begegnung mit dem grünen Etwas nachgeholt. Hatte ja nur 5 Minuten gedauert und die haben fürs Wochenende ein bissken Regen angesagt. Da schien mir das von Vorteil einen Schmutzfänger dran zu machen.
"Na den Schmutzfänger haben Sie sich wohl noch schnell besorgt wie ich sehe" quäkte das grüne Etwas triumphierend vor sich hin. "Aber mit dem MP3-Player…". Stopp, stimmt ja nicht. Is doch Handy und nicht MP3. "Freisprecheinrichtung" falle ich dem grünem Etwas ins Wort und verbessere ihn. "Das ist mir egal was das ist. Damit dürfen Sie auf gar keinen Fall auf der Straße fahren. Die Ohren müssen frei sein" belehrte mich das grüne Etwas. Einen Moment kam ich mir wieder vor wie bei der Bundeswehr. Da gab es auch immer diese kleinen grünen Etwas die rumquäkten das die Ohren frei sein müssen. Fast hätte ich instinktiv stramm gestanden und salutiert. Aber irgendwie habe ich das seit ein paar Jahrzehnten nicht mehr gemacht und überhaupt. Das was mit den kleinen grünen quäkenden Etwas bei der Bundeswehr am letzten Tag passiert ist, hat dieses kleine grüne quäkende Etwas einfach nicht verdient. Noch nicht.
"DA!" sagte ich zu den Froschkönig kleinem grünem Etwas und zeigte mit ausgestrecktem Arm auf eine an uns vorbeirauschende Limousine der Stern-Klasse. Ein verwundertes "Was?" quäkte mir entgegen. "DA! Fenster offen, Arm raus und Handy am Ohr. Inner Limo. Darf der das?"
Das kleine grüne Etwas drehte sich zur Straße rum und versuchte über die Altpapiercontainer hinweg mit seinen Augen einen Blick auf die Limousine der Sternzerstörer-Klasse zu erhaschen. Das wäre eigentlich die Gelegenheit gewesen. Ich hätte das kleine grüne Etwas, das grade auf seinen Zehenspitzen stand und mir den Rücken zuwandte, einen Stoß geben können. Darauf hin wäre das kleine grüne Etwas wohl im Schlitz des Altpapiercontainers verschwunden und ich hätte fliehen können. Denkste. Das kleine grüne Etwas drehte sich flink wie eine Ballerina um und schaute mich arg böse an. Es stellte sich als sehr suboptimal heraus, ein kleines Grünes Etwas auf eine Stern-Klasse-Limousine mit handytelefonierendem Prollfahrer hinzuweisen, wenn das kleine grüne Etwas davon ausgeht, dass es grade den Bin Laden der Mountainbiker-Szene am Wickel hat.
Der Blick des kleinen grünen Etwas verriet mir, dass nun nicht der Moment war ihm den Unterschied zwischen den Impaktfolgen einer Stern-Klasse-Limousine mit Handyabgelenktem Prollsteuermann und den Impaktfolgen eines einzelen Mountainbikes zu erklären. Selbst dann nicht, wenn die Stern-Klasse-Limousine mit satten (geschätzten) 70 Sachen (faktisch Fastlichtgeschwindigkeit) grade an einem Spielplatz und einer Abladestelle für Recyclinggüter vorbeirauscht. Alles keine Gründe dem vermeintlichen Bin Laden der Mountainbiker-Szene nicht darüber zu belehren das man auf einem Fahrrad keine Freisprecheinrichtung verwenden darf.
Das kleine grüne Etwas belehrte mich also. Nach zwei Minuten wollte ich ihm schon versprechen hundertmal in Schönschrift den Satz Ich werde beim Fahrradfahren keinen MP3-Player oder Handyfreisprecheinrichtung mit Ohrstöpsel benutzen aufzuschreiben. Nach weiteren zwei Minuten wollte ich ihm den Kopf tätscheln und sagen das nun wohl gut ist und er zum Spielen zurück in den Sandkasten darf. Nach weiteren ungezählten gequäkten Belehrungssätzen wollte ich eigentlich nur noch nach Hause.
Ich tat nichts von alledem da ich wusste, dass ich dadurch meine Situation nicht grundsätzlich verbessern würde. Also verfiel ich in eine Duldungsstarre, hörte mir die gequäkten Belehrungssätze an und setzte mein Es tut mir so verdammt leid aber ich bin einsichtig Gesicht auf. Das zeigte Wirkung und ich durfte nach einer gefühlten halben Ewigkeit dann doch noch den Heimweg antreten. Ohne Stöpsel in den Ohren und, zum Glück, ohne Verwarngeld. Dafür mit einer gequäkten mündlichen Verwarnung.
Kaum hatte ich mich und mein Fahrrad in Bewegung versetzt, hörte ich das kleine grüne Etwas dann doch noch mal laut quäken: "Sie haben ja gar kein Licht an ihrem Fahrrad!". Vorteil Muh, Nachteil Froschkönig. Ich auf dem Fahrrad und mit Schwung. Er auf Stummelbeinen und angeborener Beamtenfaulheit. Hätte ich noch mal umgedreht oder auch nur angehalten, damit das kleine grüne Etwas mich erneut über Licht am Fahrrad belehren könnte, es wäre ein Fall für Amnesty International geworden. Echt jez.

Ich freu mich schon auf das nächste Mal Altpapier entsorgen. Entweder ich mache das dann mit einem Auto oder ich horte in Zukunft das ganze Altpapier in meiner Wohnung und werde zum Messi. Sollte ich dem Viehh dem Froschkönigh dem kleinen grünem Etwas noch einmal begegnen, ich werde nicht wieder die Ohrstöpsel raus nehmen. Das kann keiner von mir verlangen. Wirklich nicht.

 

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blanca - 21. Mai, 14:58

... ich liebe sie - die jungs in grün ...

aiiiia - 21. Mai, 17:46

Was ist grün und innen hohl?
Schnittlauch!

'Tschuldigung. Auch witzelsüchtig. Endstadium...

Remington - 22. Mai, 00:08

Mit überforderten Bürokraten, die noch dazu Schusswaffen tragen, diskutiere ich grundsätzlich nicht. Aber Du bist ja noch jung und hast Nerven...

Muh-Tiger - 22. Mai, 05:44

Falsch

Ich bin alt und mir isset mittlerweile scheißegal (vor allem wenn der Bürokrat nen Kopf kleiner ist als ich)
querformat - 22. Mai, 19:23

sehr schöne Gechichte...

würde unser designierter Ministerpräsident dazu sagen.
Ich sage:
Hut ab, prima Story.

ach ja, off topic:
Ich hab dein Blog in meinen Abos.
Wenn ich von dort aus auf dein Blog klicke, bekomme ich irgendsoeine "panthol-Warnung" und meine IP sei registriert.

Muss ich mich jetzt sorgen?
Steht der BND schon vor der Tür?
Beste Grüsse

Muh-Tiger - 22. Mai, 19:40

Öhm

Eigentlich passiert (oder soll so passieren) wenn jemand mit enem bestimmten referrer bei mir aufschlägt. Gab da mal ne Geschichte auf die ich nicht näher eingehen will. Werde es aber gleich mal überearbeiten und ändern.

Und nein, bis jetzt sehe nur ich (als Adminstartor dieses Blogs) die IP-Adressen. Aber die sind ja eh nach dem Trennen der Verbindung hinlänglich.
Tag #7118

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