Muh-Tiger | 31. Jan, 05:48
Contentfrei
Ich glaube, ich muss wohl doch mit dem Bloggen aufhören. Nein das ist nun keine dramaturgisch aufgewertete Ankündigung des Endes dieses Bloges. Ich werde mich auch nicht kopfüber, aus Kummer & Scham, aus dem Kellerfenster stürzen. Es gibt nun mal einfach nichts zu bloggen.
Ich habe keine Frauengeschichten, wäre ja schon mal ein Thema. Andere haben an einem Wochenende mehr Sexualkontakte als ich in meinen bisherigen, gesamten Leben. Auch hält sich die Anzahl an Frauen in überschaubaren Größen, die mich Schatzi, Mauseherzchen, Schnuckelbärchen oder Engel nennen. Für mich ist Null eine wirklich überschaubare Größe. Also Frauengeschichten und Sex&The City fallen in meinen Fall flach.
Auch wohne ich nicht wirklich am/im/um Nabel der Welt. Es scheint doch eher die andere Seite zu sein. Um nicht zu sagen das ich am Ar*** der Welt wohne. Beschauliche Großstadt mit überschaubarer Kriminalitätsrate. Quasi schon fast ein Dorf im XXL-Format. Also auch nix mit Berichten aus einer Weltmetropole.
Auch keine abenteuerlichen Hobbies wie Eisbärenjagd am Südpol, Feuerspucken an der Tankstelle, Kakerlakenrennen im Pornokino, mit verbundenen Augen auf einem Einrad über ein Hochseil fahren. Alles nicht mein Ding, nie gemacht. Habe ich auch nicht wirklich vor zu machen. Nervenaufreibende Hobbies fällt also auch flach.
Ich bin auch weder Entdecker noch Erfinder. Bin kein Investigativjournalist oder Agenteninformant. Habe keinen wirklich spannenden Beruf, komme recht wenig rum. Ich lebe quasi in einem Blogcontentfreien Raum. Blogvakuum sozusagen.
Ist wirklich so! Nehmen wir als Beispiel mal den letzten Freitag. Ich machte mich, aufgrund einer orange-roten Benachrichtigungskarte und eines erwarteten Paketes, auf den Weg zur Postfiliale.
Aufgrund aufregender Berichte anderer Mitmenschen, ging ich davon aus, dass es schon reicht das Haus zu verlassen um die wildesten und blogfüllendsten Erlebnisse zu erleben. Nix da, nada, nö. Also während andere schon beim Verlassen des Hauses wenigstens einen aus dem Zoo entlaufenen Waran begegnen, konnte ich unbehelligt die Straße überqueren und ins Auto einsteigen.
Selbst die 5 Minuten Fahrt zur Post gestalteten sich völlig Zwischenfallfrei. Doch mein großer Augenblick, gefüllt mit den wildesten Abenteuern die eine Großstadt im XXL-Dorfformat bieten kann, bestand mir ja noch bevor: Die Parkplatzsuche!
Die Postfiliale ist eine recht kleine Filiale mit zwei Schaltern. Die Filiale selber liegt an einer stark befahrenen Hauptstraße mit nicht grade wenigen Ladenlokalen. Eigentlich gilt hier grundsätzlich: Parken in zweiter Reihe und Kampf mit 100 Politessen gleichzeitig. Ich bereitete mich also schon einmal seelisch darauf vor, legte mir ein paar wüste Beschimpfungen zurecht, die ich dann, im falle des Falles, ablassen könnte. Noch an der roten Ampel stehend erblickte ich den ersten Gegner. Von der Kreuzung bis zur Postfiliale sind es gut 10 Meter. Auf der Ecke geparkt, ein Fahrzeug, Fahrer nähert sich. Meine Fielmann-Adleraugen lassen weder den Fahrer noch eine seiner Handlungen aus den Augen. Ich beobachte ihn scharf. Er winkt mir zu. Ich verdutzt. Er deutet auf mich, dann auf sein Fahrzeug, deutet mir an das er nun weg fahren würde und ich dann in die frei werdende Parklücke rein könnte. Die Ampel springt um, ich fahre los, der andere verlässt den Parkraum welchen ich gemütlich, da ausreichend dimensioniert, okkupieren kann. Verwunderung meinerseits. Es ist weder ein kostenpflichtiger Parkplatz, noch ein Behindertenparkplatz, auch keine Einfahrt oder die Zweite Reihe auf dem Asphalt.
Ich verlasse das Auto, versichere mich noch mehrmals das ich mein Auto auf einem legalen Abstellplatz für Kfz abgestellt habe, kann allerdings keinen Hinweis drauf finden das ich das Auto dort nicht hätte abstellen dürfen.
Auf den nun folgenden 10 Metern Weg zur Postfiliale schwirren mir die Gedanken nur so durch den Kopf. Was habe ich nicht schon alles gelesen. Mir fällt plötzlich ein dass ich weder MP3-Player noch ein Buch oder ähnlichen Lesestoff dabei habe. Kurz überlege ich ob ich noch einmal nach Hause fahren soll um mir eins von beiden nachträglich zu besorgen. Doch der soeben okkupierte Parkraum ist einfach zu kostbar um ihn so schnell wieder her zu geben. Ich verwerfe den Gedanken an Musik oder Lesestoff wieder und hoffe darauf, dass bereits heiße Getränke und warme Decken vom Roten Kreuz an die Wartenden, in der Schlange vor den Schaltern, verteilt werden.
Gerüchteweise habe ich mal gehört, dass Reinhold Messner seine Bergtouren trainiert indem er Briefe zur Post bringt. Ohne Sauerstoffmaske, Zelt oder Energieriegel. Ein echt harter Bursche muss das sein. Doch wer auf Achttausender ohne Sauerstoffmaske rauf will, der muss durch so was durch.
Ich stemme mich also, mit aller mir zur Verfügung stehenden Gewalt, gegen die Eingangstür. Immerhin erwarte ich das hinter selbiger noch ein paar Leute im Schlafsack liegen und seit Tagen darauf warten endlich bedient zu werden. Doch die Tür öffnet sich ohne jegliche Gegenwehr. In der gesamten Filiale sind weder notdürftig gespannte Zeltplanen noch Helfer vom Roten Kreuz zu sehen. Auch fehlt der übliche, durch Schlafsäcke und in Ecken verrichteter Notdurft, entstehende Geruch. Eigentlich riecht es recht angenehm frisch. Der Boden ist nicht nur frei von übernächtigten Gestalten, sondern auch noch sauber. Um nicht zu sagen: Blitzeblank.
Selbst bei intensivster Betrachtung gab es keinen blogfähigen Content zu entdecken. Weder die Gerippe von ehemals Wartenden, die niemals bedient wurden, noch weinende Kinder die ihre Eltern in der Warteschlange verloren haben. Einzig ein Pärchen an Schalter 1, welches sich sicht- und hörbar amüsiert mit der Dame an Schalter 1 unterhielt, erspähte mein Auge.
Ich legte mir im Kopf schon mal ein paar Formulierungen zurecht wie ich die Situation beschreiben sollte. Also die Situation, dass ich stundenlang hinter diesen Pärchen darauf warten würde endlich mein lang ersehntes Paket abholen zu können. Doch meine Überlegungen wurden jäh unterbrochen. Hinter Schalter 2 erschien im gleichen Augenblick als ich die Schalterhalle betrat, eine freundlich lächelnde Dame die mir durch ebenso freundliches Kopfnicken zu verstehen gab das sie bereit wäre mich zu bedienen. Ich schritt also gradewegs, ohne größere Pause, von der Eingangstür zu Schalter 2.
Skeptisch schob ich meine orange-rote Benachrichtigungskarte unter der Durchreiche durch wo sie auch im gleichen Augenblick, durch die freundlich lächelnde Schalterdame, in Empfang genommen wurde. Geistig richtete ich mich nun auf eine längere Wartezeit ein, welche ich dadurch verkürzen wollte, indem ich in meiner Brieftasche nach meinem Personalausweis suchte. Aber auch dieser Zeitvertreib wurde jäh unterbrochen. Denn kaum hatte ich mit der Suche angefangen, schoss links von mir ein gelber Karton durch eine etwas größere Durchreiche. Als ich meinen Blick aufrichtete, stand dort wieder diese freundlich lächelnde Schalterdame. Ich zückte meinen Personalausweis und wollte ihn grade zur Begutachtung rüber reichen, da sagte die Schalterdame mit ihrem penetrant freundlichen Lächeln, dass sie ihn nicht bräuchte. Immerhin würde es sich "nur" um ein Päckchen handeln. Meinen Und eine Unterschrift brauchen sie wohl auch nicht Blick quittierte sie mit einem ebenso freundlichen Kopfschütteln welches durch das ständig anhaltende freundliche Lächeln unterstrichen wurde. "Einen schönen guten Tag" wünschte sie mir noch. "Du blau-gelbes Huhn in Uniform, ich brauch blogbaren Ärger- und Aufregcontent! Gottverdammt, ich bin Blogger!" schwirrte es mir durch den Kopf während ich mit der linken Hand nach den Paket angelte. Doch diesen konnte oder wollte mir die freundliche Schalterdame nicht liefern, denn sie gab dem Paket noch einen kleinen Extrastoß, so das dieses in bequem erreichbarer Reichweite landete.
Ärger- und Aufregcontentfrei, dafür mit Paket bestückt und freundlich bedient, wollte ich grade die Postfiliale verlassen, als mir jemand entgegen kam und mir sogar die Tür aufhielt. Nicht einmal beim Verlassen der Postfiliale ergab sich blogbarer Content.
Von der Postfiliale ausgespuckt, auf dem Gehweg gestrandet wunderte ich mich noch für eine kurze Sekunde über diesen völlig ereignisfreien Postfilialenbesuch, als sogleich mein Blick eine Politesse auf der anderen Straßenseite erblickte. "Die hat mich im Visier!!" überkam es mich. Ich visierte die Politesse an, danach mein Auto, danach wieder die Politesse. Doch diese machte nicht einmal andeutungsweise irgendeine Bewegung in meine Richtung. Nicht eines kurzen Blickes würdigte sie mich. Ich setzte mich ins Auto und verstaute das Paket auf dem Beifahrersitz. Obwohl ich nun eigentlich abfahrtbereit war, startete ich den Motor nicht, denn ich gab die Hoffnung blogbaren Ärger- oder Aufregcontent zu bekommen noch nicht auf. Vielleicht würde sie die Straße an der Kreuzung, unter Benutzung der Fußgängerampel, überqueren, mein auf der Ecke geparktes Fahrzeug erspähen, nur um ihren Knöllchenblock zu zücken und mir ein Mandat zu verpassen. Nichts ist. Anstatt die Straße zu überqueren stieg sie in ein Fahrzeug und verließ den Ort der Geschehnisse. Wieder kein blogbarer Äerger- oder Aufregcontent. Wieder nichts passiert. Ich trat den Heimweg an um festzustellen, dass sich auch auf den 3 Kilometern Heimweg nichts erwähnenswertes ergab.
Der Tag war, im Nachhinein betrachtet, ein wenig gruselig. Ich machte mich auf, ein Paket von der Post abzuholen. Doch anstatt blogbare Abenteuer zu erleben, passierte einfach Nichts! Rein ins Auto, ab zur Post, sofort einen legalen Parkraum okkupiert, rein in die Post, Paket sofort bekommen, freundlich bedient worden, raus aus der Post, rein ins Auto, nach hause und fertig.
Ich glaube, ich wohne in der falschen Stadt. Hier ereignet sich einfach kein blogbarer Content. Ich lebe im Blogcontentvakuum. Mist.
Guten Morgen, "Schatzi"...
dann zieh doch um ;-)
na also und das sich bei mir auch keine allwöchentlichen orgien bei mir zu hause abspielen ist auch bekannt - ob diese orgien auch immer so toll sind, wie sie in einigen blogs geschildert werden, wage ich zu bezweifeln.
im grunde geht es doch darum, das man sich selbst mit dem schreiben luft macht, eventuell die anderen mit den alltagsgeschichten unterhält, aber bloss nicht darüber nachdenken, ob das alles sinn macht, was man schreibt.
also, weiterbloggen, egal in welcher stadt ;)
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